Deckenfreske in der mittleren Etage. Europäischer Kulturkreis

Walter Herberts Deckenfresken

Christoph Heubeck und Doris Weilandt
Deckenfreske in der mittleren Etage. Europäischer Kulturkreis
Foto: IGW

WALTER HERBERTS DECKENMALEREI IM INSTITUT FÜR GEOWISSENSCHAFTEN

(aus: Heubeck, C., (Hrsg.), 25 Jahre Institut für Geowissenschaften. Menschen, Konzepte und Ideen. Friedrich-Schiller-Universität Jena, 134 S., mit zahlr. Abbildungen, ISBN-Nr. 978-3-9818697-9-8)

 

Biographisches

Walter Herbert wurde am 26. Januar 1908 in Henfstädt bei Themar (Thüringen) als Sohn des Volksschullehrers Gustav Herbert und seiner Frau Emilie geboren und besuchte in seinem Heimatort zunächst die Volksschule. Zu Ostern 1922 erfolgte der Wechsel an die Deutsche Aufbauschule in Hildburghausen. Kurz bevor er mit 20 Jahren die Reifeprüfung ablegte, erkrankte sein Vater schwer. Obwohl Walter Herbert bereits zum Sommersemester 1928 an der Kunstakademie Dresden angenommen worden war, musste er seinem Vater auf dem Totenbett versprechen, einen nichtkünstlerischen Beruf zu ergreifen. Er schrieb sich wenige Monate später, zum 30.4.1928, zum Studium der Pädagogik, Philosophie, Germanistik und Psychologie an der Universität Jena mit dem Ziel, Lehrer zu werden, ein.

 

Walter Herbert, 1908 - 1986. Photo  aus der Personalakte im Niedersächsischen Staatsdienst, ca. 1968.
Walter Herbert, 1908 - 1986. Photo aus der Personalakte im Niedersächsischen Staatsdienst, ca. 1968.
Foto: IGW

 

Während des Studiums führte ihn ein Auslandssemester (Sommersemester 1929) nach Wien. 1931 erfolgte die Lehrerprüfung. Danach erhielt er eine vorläufige Anstellung im thüringischen Volksschuldienst. Herbert interessierte sich sehr für Psychologie. Nach nur acht Semestern beendete er sein Studium mit einer Promotion zum Thema »Zur Psychologie des Strafmaßes«. Bis zur Verteidigung arbeitete er an der Psychologischen Anstalt Jena, die experimentelle Forschung betrieb.

Die mündliche Prüfung zur Promotion (Hauptfach Psychologie, Nebenfächer Philosophie und Deutsch) erfolgte im Februar 1933.

Eine Eingabe, ihm die Anzahl der 200 geforderten Pflichtexemplare aus finanziellen Gründen zu reduzieren, wurde von der Universität abgelehnt. Erst als die Dissertation als Buch in Würzburg vorlag und somit die Publikationsbedingung erfüllt war, wurde die Promotion am 27.2.1934, ein ganzes Jahr nach der Prüfung, rechtskräftig. Zu dieser Zeit hatte Herbert bereits geheiratet und eine Anstellung in der einklassigen Volksschule Horba, einem Dorf im Kreis Rudolstadt, gefunden. Er wurde 1935 zum Beamten ernannt und 1938 als Hauptlehrer der sechsklassigen Volksschule nach Stützerbach (nahe Ilmenau) versetzt.

Im Mai 1940 wurde Herbert zur Wehrmacht eingezogen. Er diente einige Monate in einer Sanitätskompanie im besetzten Frankreich, bevor seine Einheit im Juli 1941 an die Ostfront verlegt wurde. Dort wurde er, inzwischen einfacher Infanterist, 1943 schwer verwundet, was Ende 1944, vermutlich nach längerem Lazarettaufenthalt, zu seiner Ausmusterung führte. Im Dezember 1944 nahm er als 70%-Schwerbeschädigter wieder den Lehrerberuf in Stützerbach auf. Im Zuge der Entnazifizierungskampagne wurde er im Oktober 1945 wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur NSDAP fristlos entlassen. Das zwang ihn, mit seiner Familie zu seinen Eltern nach Henfstädt zurückzukehren und sich seiner eigentlichen Berufung, der Kunst zuzuwenden.

Erste Nachweise seiner künstlerischen Tätigkeit finden sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe. Ab 1949 wirkte er als freiberuflicher Künstler in Jena. Aufgrund der hohen Qualität der Arbeiten, die zu Beginn der 1950er Jahre entstanden, ist anzunehmen, dass er sich bereits über einen längeren Zeitraum mit künstlerischen Techniken beschäftigt hatte.

 

Wirken in Jena

Der Drachentöter. Fresko von Walter Herbert (1951). Außenwand des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V. - Hans-Knöll-Institut, Beutenberg-Campus Jena.
Der Drachentöter. Fresko von Walter Herbert (1951). Außenwand des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V. - Hans-Knöll-Institut, Beutenberg-Campus Jena.
Foto: IGW

In einem handschriftlichen Lebenslauf von 1957, der in seiner Personalakte des Niedersächsisches Landesarchivs erhalten ist, schreibt Herbert, er hätte "durch Selbststudium und mit Anleitung durch befreundete Maler" begonnen, "die Liebhaberei zum Beruf auszubauen". Eine wesentliche Orientierung an den Arbeits- und Gestaltungsweisen der Wandmalerklassen der nahegelegenen Weimarer Hochschule für Baukunst und bildende Kunst liegt nahe. Möglicherweise hatte er auch durch das Auslandssemester in Wien Anregungen bekommen. Im Februar 1955 erteilte die Auftragskommission der bildenden Kunst beim Rat des Bezirks einen schriftlichen Auftrag für die künstlerische Ausgestaltung des Instituts für Erdbebenforschung in Jena. Durch die unmittelbar davor entstandenen Bildzyklen zur »Entwicklung des Lebens auf der Erde« (1953) und »Geschichte der Wissenschaften« (1953/54) für das ZIMET hatte sich Herbert für die künstlerische Umsetzung wissenschaftlicher Themen bereits empfohlen.

1953 bis 1957 wurde Herbert viermal in Folge in der Bezirkssparte Gera des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands (VBKD) zum Leiter der Sektion Malerei und Grafik gewählt. Diese Funktion setzt professionelles künstlerisches Schaffen und eine hohe Wertschätzung durch die Verbandskollegen voraus. Herbert beteiligte sich an mehreren Kunstausstellungen, darunter der 3. Kunstausstellung in Dresden, und leitete die Betriebsgruppe »Zeichnen und Malen« des VEB Carl Zeiss. In dieser Zeit des Wiederaufbaus, der Gründung neuer Institute und wissenschaftlicher Einrichtungen waren die Aufträge zur künstlerischen Ausgestaltung von Neubauten nicht allzu rar. Herbert schuf Sgraffitos an der Fassade des Zentralinstituts für Mikrobiologie und Experimentelle Therapie (ZIMET; heute Hans-Knöll-Institut) und an der Schule Am Anger sowie Seccomalereien im Foyer des ZIMET.

Sein Hauptwerk ist der über sechs Etagen geführte Glasfensterzyklus zur Geschichte der Pharmazie im Firmensitz von Jenapharm; siehe Weilandt (2008).

 

Die Deckenmalereien im IGW

Aus der Baugeschichte des Gebäudes am Burgweg erhaltene Dokumente belegen, dass der Institutsleiter und zukünftige Hausherr, Prof. Gerhard Krumbach, in konzeptionellen und gestalterischen Aspekten des Neubaus engagiert war und, schon schwer krank, die Entwürfe noch 1955 mit Herbert besprach. Eine erste schriftliche Bitte um eine Terminvereinbarung stammt vom 28.2.1955. Krumbach ließ dem Künstler bei der Ausgestaltung, wie Herbert schreibt, »völlig freie Hand«. Am 5. September 1955 bat Herbert in einem Schreiben an die Bauleitung, den Untergrund fachgerecht vorzubereiten, und am 14. Oktober 1955 wurden 50 kg gepulvertes Kasein bestellt.


Die Malerarbeiten fanden im Winter 1955/1956 im Rohbau statt, der wegen Installationsverzögerungen und Problemen mit der Heizung ausgesprochen kalt war.

Herbert (1981) schrieb:

»Die Aufbringung der Kartons, das Pausen und die schließliche Bemalung war ohne zweckmäßige Gerüste schwierig. Im Erdgeschoß konnten diese Arbeiten von einem Bretterboden auf Böcken, von den Handwerkern bereitgestellt, stehend geschehen, ebenso bei der Treppenhausdecke. Für die Decken im 1. und 2. Obergeschoss waren die nötigen Bretterböden nicht herzustellen. Aber ein über zwei Meter breiter Brettersteg auf Böcken, der von Wand zur Wand reichte und fortgerückt werden konnte, war zu schaffen. Auf ihm standen sechs freiwillige Helfer aus meinem Malzirkel bei VEB Carl Zeiß und ich, drückten die zwei Meter breiten Kartons gegen die Decke und pausten die Zeichnung durch. Millimetergenaue Arbeit bei den Kartonanschlüssen und beim Pausen wurde dank der gewohnten Genauigkeit meiner Helfer - trotz aller Schwierigkeiten - erreicht.

 

Für die Malarbeit, die zum größten Teil während des Winters in einem Rohbau ohne Fenster und Türen ausgeführt werden musste, erdachte und baute ich mit Hilfe der Handwerker ein für die Arbeitshöhe berechnetes vierfüßiges Balkengestell, das oben durch Matratze und Kopfkeil eine Liege erhielt. Ohne fremde Hilfe konnte der Maler das Gestell auf Rundhölzern bewegen. Vervollständigt wurde diese Malliege durch eine Leiter, eine Atelierlampe und eine Leiste zum Auflegen der Hand beim Malen, die bewegbar auf zwei Leisten auflag, die an die Längsseiten des Gestells angenagelt waren. Der Entwurf steckte unter Gummibändern hinter dem Kopfteil und konnte bei Zweifeln an der Pause eingesehen werden. Der Maler lag bei seiner Arbeit auf dieser »fahrbaren« Liege unter Wolldecken und hinter Schilfmatten. Diese schlossen auch notdürftig die Bauöffnungen. Die gesamte Einrichtung hat sich sehr gut bewährt.«

 

Deckenmalerei im 2. Obergeschoss
Deckenmalerei im 2. Obergeschoss
Foto: IGW

Deckenmalerei im 2. Obergeschoss.
Themen aus dem amerikanischen Kulturkreis, ausgeführt in grün
.

Deckenmalerei im 1. Obergeschoss
Deckenmalerei im 1. Obergeschoss
Foto: IGW

Deckenmalerei im 1. Obergeschoss, vor dem Hörsaal.
Themen aus dem europäischen Kulturkreis, ausgeführt in rot.

Deckenmalerei in der Eingangshalle
Deckenmalerei in der Eingangshalle
Foto: IGW

Deckenmalerei in der Eingangshalle im Erdgeschoss.
Themen aus dem ostasiatischen Kulturkreis, ausgeführt in blau.

Flucht und Neubeginn

Am 7. September 1957 floh Herbert überstürzt, eine bereits erteilte Ausreisegenehmigung zum Besuch seines in Göttingen studierenden Sohnes nutzend, und unter Mitnahme nur weniger Dokumente in den Westen. Zwei Tage vorher war ihm von der Bezirksleitung des VBKD seine sofortige Absetzung und der Verlust aller Funktionen aufgrund seiner ungenügenden politischen Haltung schriftlich mitgeteilt worden. Dies war wohl auf seine Bemühungen zurückzuführen, die Politisierung des Verbands, die nach dem gescheiterten Aufstand in Ungarn 1956 immer drückender wurde, zu verhindern. Er hatte Grund zu der Annahme, dass diese Amtsenthebung weitere, schärfere Maßnahmen nach sich ziehen würde.

Herbert fand schon im Folgemonat Anstellung als Grundschullehrer in Hannover, konnte seine Familie nachholen, wurde bald verbeamtet und wirkte als Fachlehrer für Deutsch und Kunsterziehung an Schulen in Hannover und ab 1964) in Burgdorf, bevor er dort 1975 pensioniert wurde.

 

Die Beschreibung der Deckenmalerei

Ehemalige Mitarbeiter des hiesigen Instituts erinnern sich, dass Herbert einmal - wahrscheinlich Oktober 1979 - vorbeikam, aber der unangemeldete Besuch eines Westdeutschen in einem staatlichen Forschungsinstitut der DDR war für beide Seiten heikel und währte wohl nur Minuten; immerhin, ein Kontakt war zustandegekommen. Im September 1980 beantwortete er eine Anfrage des damaligen Institutsdirektors Prof. Heinz Kautzleben, der ihn gebeten hatte, die Malereien zu beschreiben. Offensichtlich lagen dem Institut, immerhin schon 25 Jahre in diesem Hause, dazu keine Angaben vor.

Aus dem Anschreiben zu seiner Antwort geht hervor, dass Herbert plante, die erbetene Beschreibung persönlich zu übergeben, doch kam der vorgesehene Besuch in Jena »wegen bekannter und noch bestehender Behinderung« nicht zustande, so dass er die detaillierte achtseitige Beschreibungpdf, 5 mb erst ein ganzes Jahr später, am 12.10.1981, versandte.

Es ist unwahrscheinlich, dass Herbert, der 1957 nur mit Handgerpäck die Sowjetzone verlassen hatte, sich beim Verfassen der Beschreibung der Deckenmalereien, 26 Jahre nach deren Ausführung, auf Unterlagen stützen konnte. Umso mehr beeindruckt der Detailreichtum und die Genauigkeit des Textes, kombiniert mit einem präzisen Audruck und Stil, in dem sich wohl auch das Sprachgefühl und die Erfahrung des Deutschlehrers widerspiegelt.

 

Walter Herbert starb am 28.6.1986 in Burgdorf.

 

LITERATUR

 

BStU (Stasi-Unterlagen-Behörde) FB 167, Blatt 72, und FB 1007, A. 9

DD-WASt (Deutsche Dienststelle - Wehrmachtsauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene); Auskunft vom 3.5.2018

Herbert, W., 1981, Brief an Das Zentralinsti­tut für Physik der Erde, Institutsteil Jena, vom 12.10.1981.

Maaz, R., 1972, Das Institutsgebäude am Burgweg. Jena Information, März 1972.

Niedersächsisches Landesarchiv Hannover (NLA), Akte Nds. 120 Hannover Acc. 2011/057, Nr. 750 und Nr. 751 (Personalakte von Dr. Walter Herbert im Nds. Beamtendienst).

Universitätsarchiv der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Kartei der Studierenden der Universität Jena, 1915-1935; Bestand N, Nr. 14 (Promotionsvorgang)

Weilandt, D., 2009, Jenapharm - Architektur und Kunst am Bau. Vopelius-Verlag Jena, 115 S.

 

DANK

Wir bedanken uns bei Kollegen Harald Lützner, der mit vielen Hin­weisen helfend zur Seite stand, Dr. Babett Forster, die in Fragen der künstlerischen Ausfüh­rung beriet, und bei Dr. Busse vom Magazin Pattensen des NLA.